Zoff um das Gestern von Geisenfeld

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Ein Kommentar auf Bürgersicht und die sonderbare Reaktion darauf

Das hat man davon, wenn man die Stadtratssitzungen nicht regelmäßig besucht. Man muss sich die Sitzung von Anderen nacherzählen lassen. Manch geschilderte Absonderlichkeit mag man -weil um die Gagverliebtheit des Erzählers wissend- zuerst als schönfärberische Wahrnehmung abtun. Doch bekommt das Geschilderte einen gewissen Glaubwürdigkeitsgehalt, sobald man etwas darüber in der Heimatzeitung liest.

Im vorliegenden Fall ging es um einen skurrilen Vorfall aus der letzten Stadtratssitzung, als Bürgermeister Staudter, auf Wunsch des Stadtarchivars dessen Brief vorlas, mit dem sich der Archivar gegen eine vermeintliche Beleidigung wehren wollte.

Gegen Ende der September-Stadtratsitzung, in der Tagesordnung war man beim Punkt „Bekanntmachungen“ angekommen, ein mit einem Gemischtwarenladen vergleichbares Sammelsurium an sonst nirgendwo reinpassenden Verlautbarungen, schaltete der Bürgermeister in den Betroffenheits-Modus.

Mit bemerkenswertem Pathos und dem Ausdruck der Entrüstung im Gesicht konnte Bürgermeister Staudter endlich -wenn auch nur stellvertretend- im Stadtrat gegen „Bürgersicht“ wettern. Die Gelegenheit bekam er durch den Wunsch des Stadtarchivar Hans Strauß, sein an den Bürgermeister gerichtetes Schreiben doch bitte im Stadtrat vorzulesen.

In dem auf der Stadtratssitzung vorgelesenen Schreiben beschwerte sich Strauß beim Bürgermeister über „ehrverletzende Äußerungen“ der Privatperson Ludwig Sommerer, einem bekannten Geisenfelder Heimatforscher.
Habe dieser doch Strauß als „Märchenerzähler“ tituliert. Sommerer tat dies zwar nicht an gleicher Stelle, also im Stadtrat, sondern in einem Kommentar auf „Bürgersicht“, in dem er zu dem Artikel „Altes Rathaus Geisenfeld – Letzte Führung durch Heimatmuseum“ einige -aus seiner Sicht falsche- historische Daten zurecht rückte.

(Allein der Vorgang als solcher, dass eine nicht betroffene dritte Person- hier der Bürgermeister- eine von der ersten Person als Beleidigung empfundene Einlassung einer zweiten Person öffentlich zurückweist, entbehrt nicht einer gewissen Komik und dürfte außerhalb Geisenfelds nur sehr selten anzutreffen sein)

Damit nicht genug. Sommerer habe auf „Bürgersicht“ nicht nur ihn, sondern auch Geisenfelder Persönlichkeiten wie Johann Geistbeck und Franz Schmid beleidigt, die „einen ganz wesentlichen Beitrag zur Geisenfelder Geschichte geleistet“ hätten, so Strauß laut Heimatzeitung.

Für den Stadtarchivar war es nur noch ein kleiner Schritt, eine über seine Person hinausgehende Dimension der Beleidigung zu konstruieren: Die Einlassungen Sommerers auf „Bürgersicht“ waren seiner Ansicht nach „auch eine Beleidigung der Stadt Geisenfeld“.

Bürgersicht meint dazu: Diese Sicht der Dinge muss man erst mal hinbekommen. Das gelingt nicht jedem!

Dem Bürgermeister gelang es jedoch. „So etwas geht gar nicht“ zitiert die Heimatzeitung den als Hobbyhistoriker noch nie aufgefallenen früheren Berufsschullehrer. Sommerer habe sich „absolut im Ton vergriffen“ merkte der selbst sehr dünnhäutig auf Kritik reagierende Bürgermeister an.

Bürgersicht möchte dazu klarstellen: Bei uns ist keine Beschwerde über den in Rede stehenden Kommentar des Foristen Sommerer eingegangen. Hätten wir auch nicht so toll gefunden.
Hatte uns doch Forist Sommerer dankenswerter Weise auf einige Ungenauigkeiten zur Geschichtsschreibung Geisenfeld hingewiesen und diese berichtigt. Dass er dabei anmerkte, dritte hätten bei ihrer bisherigen Geschichtsschreibung „Märchen erzählt“ ist unserer Ansicht nach eine zulässige Zuspitzung und im Zweifel durch die Meinungsfreiheit gedeckt.

Dass Andere dies anders sehen, oder unbedingt anders sehen wollen, bleibt deren Wertvorstellung geschuldet und bleibt deren persönliche Ansicht.

Sich mit seinem „Beleidigt sein“ aber unter den Rockschößen eines dafür dankbar zu sein scheinenden Dorfschulzen zu verstecken, statt mit einem Kommentar auf einen Kommentar zu antworten, ist von Archivar und Bürgermeister irgendwie …. gestrig!

Über Bernd Schuhböck

Nicht nach heutigen, jedoch nach den Maßstäben der Ära Willy Brandt politisch eher linksliberal. Wer ihn missverstehen möchte, nennt ihn einen Sozialromantiker. Wer ihn kennt, wertkonservativ und mit zu viel Ethos für einen Bayer. Der Mann für´s kommunale, soziale oder sonstwie politische. Oder für Themen, für die sich keiner fand, der sie aufgreifen wollte.

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